Kirche zu Eubach
(aus der Eubacher Chronik)
Die Kirche ist das Wahrzeichen von Eubach. Nicht nur der Protestanten, die im Dorf die Mehrheit bilden: Von etwa 170 Einwohnern gehören 120 der evangelischen Kirchengemeinde an. Gut 10 Einwohner sind katholisch und knapp 20 gehören anderen evangelischen Glaubensgemeinschaften an. Die Kirche ist jedoch offen für alle. Und ganz gleich, ob man die Kirche regelmäßig von innen sieht oder zumeist nur von außen: ohne sie würde Eubach etwas fehlen. Sie ist das Herz von Eubach, dessen Schlag alle Viertelstunde zu hören ist, ganz besonders um 7.30 Uhr, 11 und 18 Uhr. Manchmal neuerdings auch, wenn die Fernfahrer von der nahe gelegenen Autobahn auf der gleichen Frequenz funken wie die Funksteuerung für unsere Glocken.
Jahrhunderte lang trafen sich die Eubacher zum Gottesdienst im Betsaal der Schule. Zu großen Feierlichkeiten wie Trauungen und Konfirmationen ging man nach Altmorschen in die Dorfkirche oder dann in die Klosterkirche. Aber bis heute ist es so: ein Dorf ohne Kirche, da fehlt etwas. Die Eubacher werden dies vermutlich auch immer so empfunden haben. Im Jahre 1842 war die Schule runter in die Dorfstraße gezogen, die alte Schule aus dem Jahr 1722 schien offensichtlich baufällig. Möglicher Weise gab es seit dem Umzug der Schule nun energische Bestrebungen, die alte Schule abzureißen und an ihrer Stelle eine Kirche zu errichten.
Im Jahre 1866 kam den Eubachern vermutlich die geänderte politische Situation zugute: In jenem Jahr dankt der letzte hessische Kurfürst Friedrich Wilhelm II. ab. Seit der Reformation in Hessen im Jahre 1526 war der Landgraf bzw. Kurfürst zugleich der oberste Bischof der evangelischen Kirche. Anfang 1866 endete mit der Annexion Kurhessens durch Preußen nicht nur das selbstständige Kurfürstentum, sondern auch der Einfluss des hessischen Landgrafenhauses auf die evangelische Kirche.
Die Protestanten in Preußen sind uniert, d.h. die evangelisch-lutherischen und die evangelisch reformierten Kirchengemeinden haben sich zu einer Union zusammen geschlossen. In Kurhessen jedoch gibt es diese Union lediglich im Raum Hanau und Fulda. Die Marburger und Schmalkaldener (die hessische Exklave in Thüringen) sind Lutheraner, Eubach und die Nordhessen sind mehrheitlich reformiert (Wer einen Abendmahlsgottesdienst in Marburg mit einem in Eubach vergleicht wird erhebliche Unterschiede im Ablauf feststellen! Die Unterschiede gelten bis heute.) Die verschiedenen Bekenntnisse in Nord- und Oberhessen waren gegen einen Zusammenschluss, gegen eine Union. Die Pfarrer und viele Gemeinden wären auf die Barrikaden gegangen, wenn die Preußen ihre Kirche einfach einem unierten Oberkirchenrat in Berlin unterstellt hätten. Um es sich mit den Hessen nicht ganz zu verderben, zeigte sich der preußische Ministerpräsident von Bismarck relativ tolerant und unterstellte die hessischen Kirchen dem Kultusministerium. Dennoch gab es Unmut: Gerade im Raum Melsungen weigerten sich viele Pfarrer und Gemeindeglieder unter der Führung des Metropolitan (=Dekan) Vilmar, dass nun der preußische Staat das Sagen in der Kirche haben sollte. Bis in das Jahr 1954 gab es auch Familien in Morschen, die der renitenten Kirche angehörten, darunter die Familie Scheuffler, die im heutigen Haus Raabe in Altmorschen wohnte.
In diesen kirchlich aufregenden Zeiten nutzten offensichtlich die Eubacher die Bedrängnis der Preußen, die tunlichst darauf bedacht waren, Konflikte zu vermeiden, wenn man sich denn loyal gegenüber der neuen Regierung zeigte. Möglicher Weise ist das der politische Hintergrund, warum 1866 der Grundstein für die neugotische Dorfkirche in Eubach gelegt wurde. Die Jahreszahl „1866“ ist rechts neben dem Eingang sichtbar.
Die Eubacher bekamen die Kirche nicht einfach hingestellt. Sie haben sie gebaut. Nach ihren Möglichkeiten mussten die Einwohner dafür Hand- und Spanndienste übernehmen. Die Sandsteinquader kamen aus Brüchen in der Umgebung. Der Großvater von Georg Groh, Georg Carl Groh, hat aber auch einige Fuhren Baumaterial aus der Ruine der Schönewaldskirche geholt. Ebenso stammt der Altar der Eubacher Kirche aus jener Kirche im Schönewald.
Die Innenausstattung der Kirche ist schlicht und typisch für eine niederhessisch reformierte Kirche. Die beiden Jesusworte: „Ich bin das Brot des Lebens.“ (Joh 6, 35) und: „Ich bin der rechte Weinstock.“ (Joh 15, 5) sollen deutlich machen: Hier handelt es sich um eine evangelische Kirche. Denn beide Bibelworte sind sehr bewusst ausgewählt, verweisen sie doch auf die Grundforderungen der Reformation, die auch Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1521vertreten hat: „Wenn ich nicht durch das Zeugnis der Heiligen Schrift …widerlegt werde – denn weder dem Papst noch Konzilien vermag ich allein zu glauben, (denn diese können irren), so ist mein gewissen im Gotteswort gefangen und kann (meine Schriften) nicht widerrufen. Ich kann nicht anders, hier stehe ich, Gott helfe mir. Amen.“ Beide Bibelworte mahnen also: Allein die Heilige Schrift ist die Grundlage des Gottesdienstes und unseres Lebens.
Zugleich betonen Sie noch eine andere Forderung der Reformation: Denn mit dem „Ich“ ist immer Jesus Christus gemeint. Es geht also nicht allein um die Schrift als Grundlage, sondern mehr noch allein um Christus, der hier zu verkündigen ist.
Deswegen ist auch das Symbol der Krone über dem Chorraum nicht das Bekenntnis zum preußischen König, sondern das Bekenntnis, dass Jesus Christus allein König sei (Joh 18, 37: „Ich bin ein König“, vgl. auch das Lied Nr. 123: „Jesus Christus herrscht als König“).
Das Bibelwort über der Kanzel wurde wohl auch bewusst an diese Stelle gesetzt: Diese Seite zeigt nach Altmorschen, in Richtung Kloster Haydau. Das Motiv des Weinlaubs als Verweis auf jenes Bibelwort aus dem Johannesevangelium findet sich in der Klosterkirche wieder, vor allem im Fenster im Chorraum, das wenige Jahre nach der Errichtung der Dorfkirche Eubach in die Klosterkirche eingebaut wurde.
Wer bei Sonnenaufgang die Kirche betritt, dem fällt sofort das Fenster im Chorraum ins Auge. Da der Chorraum jeder Kirche immer im Osten liegt, fällt in günstigen Tagen das Licht der aufgehenden Sonne farbenfroh in die Kirche hinein. In vielen Kirchen ist deswegen das Ostfenster farbig, denn die Freude über das farbenfrohe Licht ist auch zu sehen als ein schwacher Abglanz der Freude, die Christen empfinden werden an jenem Tag, an dem der Messias, also Christus wiederkommen wird. Und ebenso soll das farbenfrohe Lichtspiel die Freude beim Hören der Frohen Botschaft der Predigt unterstreichen. Manch einer mag sich dann wiederum an ein Jesuswort erinnern, der nämlich von sich auch sagte: „Ich bin das Licht der Welt.“ (Joh 8, 12).
Auffallend ist auch die Dreizahl im Fenster, die einerseits auf Gottes Dreifaltigkeit (=Trinität) verweist: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Farben könnte man ebenfalls zuordnen: grün für den Gott Vater als den Schöpfer, gelb und weiß als die Farben des Lichtes für Christus als das Licht der Welt und rot für den Heiligen Geist der nach der Darstellung der Apostelgeschichte (Apg 2) wie Feuer vom Himmel fiel.
Die drei Kreise mit den blauen Punkten könnten für die Welt, die Kirche und für uns selbst stehen, die wir umgeben und eingehüllt sind von Gott. Oder aber die drei Kreise stehen für die Himmel, Erde und alles, was unter der Erde ist. Dann wäre die Botschaft ebenfalls: es gibt keinen Ort, wo Gott nicht ist.
Bemerkenswert ist auch das Deckengewölbe im Chorraum. Hier ist nämlich dezent ein Sternenhimmel angedeutet, wobei der Stern, der auf dem Schlussstein zu sehen ist, am größten ist. Auch hier handelt es sich um einen Hinweis auf ein Bibelwort: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen“ (4. Mose 24, 17). Natürlich denkt man auch an den Stern von Bethlehem, der auch wieder auf Christus verweist.
In naher Zukunft ist es der Wunsch des Kirchenvorstandes, zwei wichtige Fundstücke zu restaurieren und dann an geeigneter Stelle in der Kirche der Öffentlichkeit zu präsentieren: Im Besitz der Kirchengemeinde befindet sich noch die Bibel aus dem Betsaal der Schule. Handschriftlich wird in dieser Bibel durch den damaligen Schuldiener Konrad Pfeil vermerkt, dass diese im Jahre 1726 durch den „Doctor Kiesling (?) zu Spangenberg“ gekauft und der Kirche zu Eubach geschenkt wurde.
Weiterhin ist noch ein Abendmahlskelch aus dem Jahre 1857 aus Messing erhalten. Er ist verziert mit dem gekreuzigten Christus.