Diese Informationen auf dieser Seite stammen aus der Chronik von Eubach, welche zur 725-Jahr-Feier im Jahre 2006 erschienen ist. Die Videosequenz stammt aus der DVD „Die sieben Bücher der Eubachia“, welche in den Jahren 2004 bis 2006 von unserem damaligen Pfarrer Jörn Schlede mit Hilfe von Mitbürgern aus Eubach und der Gemeinde und den Konfirmanden erstellt wurde. Die einzelnen Informationen wurden aus mündlichen Überlieferungen und aus Dokumenten zusammengetragen. Die Aufnahmen enthalten zum Teil Aussagen von Zeitzeugen an Originalschauplätzen. Die Szenen wurden in Eubach und in anderen Ortsteilen der Gemeinde Morschen gedreht. Die gesamte DVD finden Sie hier auf der Internetseite.
Videosequenz aus der DVD „Die sieben Bücher der Eubachia“.
Die weiße Frau von Schönewaldskirchen
von Jörn Schlede
Bereits die Gebrüder Grimm berichten über die Sage von der Weißen Frau, die auf Feldern oder Wiesen erscheint, zuweilen auch in Pferdeställen. In vielen Regionen sind derartige Sagen bekannt. Wenn man im Internet „weiße Frau“ eingibt erscheinen 1.440.000 Einträge: Sagen aus der Schweiz, Österreich, der Tschechei, aus Bayern, Hessen, Brandenburg. Es sind viele Spukgeschichten dabei.
Waltari Bergmann schreibt in seinem Buch „Tausendjähriges Morschen“ folgendes: „Wenn Sagenbüchlein bisher auch die Sage von der „Weißen Frau“ in eine sogenannte Jungfrauenkirche bei Bergheim (evtl. in naher Wüstung Neuendorf) verlegten, so dürfte gerade die Kirche und spätere Ruine zu Schönewald die Phantasie zu dieser Geschichte am meisten angeregt haben.“
Über jene „Weiße Frau“ von Schönewaldskirchen wird in der mündlichen Tradition verschiedenes berichtet: Sie soll in den Ruinen jener Kirche wohnen und zuweilen nachts durch Wälder und Wiesen streifen und als verlorene Seele ihr Unwesen treiben. Für die Kinder von Eubach war Drohung mit der weißen Frau wohl ein sehr überzeugendes Argument, abends doch lieber ins Bett zu gehen als noch einmal nach draußen zum spielen.
Einer anderen Erzählung nach hat es diese Frau „tatsächlich“ gegeben. Sie lebte in der Schönewaldskirche als Einsiedlerin.
Nie hat man sie in Eubach gesehen. Als sich Eubacher Männer eines Abends miteinander beim Bier trafen und der Alkohol kräftig seine Wirkung zeigte, wetteten sie, dass es keinem gelänge, jene weiße Frau nach Eubach zu holen.
Tags drauf wagte es einer von Ihnen und ging hinaus zur weißen Frau. Man spricht, er habe sie erlöst und tatsächlich mit nach Eubach gebracht. Hier wäre sie noch jahrelang Schneiderin gewesen. Aber weder der Name jenes Mannes noch der Name der Frau sind bekannt.
Es wird auch angenommen, dass es sich bei der Weißen Frau von Schönewaldskirchen um eine Nonne aus dem nahe gelegenen Zisterzienserinnenkloster „Haydau“ in Altmorschen könnte. Die Tunika (Nonnentracht) der Zisterzienserinnen ist weiß bzw. naturbelassen, die Kopfbedeckung jedoch ist schwarz. Als das Kloster im Jahre 1527 aufgelöst wurde, konnten nicht alle Frauen in ihre Familien zurück kehren. Möglicher Weise hat sich eine Nonne in dem dann frisch verlassenen Dorf niedergelassen. Dies würde zwar zu den örtlichen Gegebenheiten passen, aber es bleibt mangels Beweisen eine Vermutung.
Eine von einer Frau im Walde gesehene Leichenprozession
berichtet aus Eubach, Amt Spangenberg, im Jahre 1684
In dieser von Aberglauben und Hexenverfolgung geprägten Zeit, knapp 40 Jahre nach dem Ende des 30jährigen Krieges, waren „Erscheinungen“ keine Seltenheit. Die Regierenden müssen sich wohl über solche Ereignisse sehr beunruhigt haben, sonst wären solche Fälle nicht aktenkundig geworden. Nicht immer gingen solche Anzeigen so glimpflich aus, wie dieser Fall. Strafprozesse schlossen sich an und der Vorwurf von Hexerei war schnell gemacht.
So hat denn auch der Spangenberger Amtmann J. v. Hüttrodt sich verpflichtet gefühlt, die Regierung in Kassel von diesem „ungewöhnlich Gesicht von einer Leichprozession“ zu unterrichten, weil er annehmen musste, dass dies eine Sache sei, „die aller Orten im Lande wird ausgepreitet werden“. Mit dem Greben zu Eubach nahm er ein Protokoll auf, das ich im folgenden wortgetreu, mit leichten Änderungen der Lesbarkeit und Verständlichkeit wegen wiedergeben möchte. Ich hoffe, dass sich auch die heutigen Leser an der barocken Sprache erfreuen werden.
Das Vernehmungsprotokoll lautet wie folgt:
„Actum Spangenberg am 17. Septembris 1684
Auf erschollenes Gerücht, als ob einer Frauen von Eubach eine Leichprozession im Walde nahe Eubach aufgestoßen und begegnet sein sollte, ist die Frau namens Elisabeth, Melchior Pfetzings Wittibe in Eubach, beneben dem Greben daselbst, anhero erfordert und um dies Gesicht befragt, und abgehört worden.
Selbige Frau nun sagt, als sie vorgestern, montags, war der 15. Septembris, ungefähr um Glocke 2 Uhr nachmittags nahe bei Eubach in den Wald gegangen und Laub gesammelt, bei solcher Verrichtung aber ihr Alter und Armut beseufzt, und Gott dem Allerhöchsten im Gebet vorgetragen, und eben diese Worte bei sich gesprochen: Herr nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren, etc., seie eine Leiche etwa drei schritte nahe bei ihr, von 4 Männern vorüber getragen worden, denen drei andere Männer in einer Reihe nachgefolget, waren allesamt sowohl Träger als auch Nachfolger mit schwarzen Trauer Kleidern, weißen Strümpfen, schwarzen Schuhen und schwarzen Mänteln angetan gewesen, und wäre der Mittelste von denen drei Nachfolgenden aus der Reihe heraus nach ihr zugangen, ganz nahe auf einen schritt weit für sie getreten, und gesagt: Sie sollte hingehen und ihrem Greben und Kirchen Seniori dieses, was sie gesehen, ansagen und solches ihrem Pfarrer zu Alten Morschen anzumelden, und sollte dieser Pfarrer solches dem Pfarrer zu Spangenberg und dem Pfarrer zu Mörshausen schreiben, daß Bettage gehalten, und das Gebet Kurand(1) verrichten würde, oder es würde in zwölf Wochen anders stehen, denn Gott wären alle Dinge möglich.
Nach diesen Worten wäre er wieder in die Reihe hinter der Leiche und zwar wieder in die mittelste Stelle, die so lange offen blieben, getreten, und sofort mit der Leiche in den Wald nach dem sogennanten Steinkopfe zugangen, inzwischen der Mann mit ihr geredet, sei die Leiche ebenfalls allgemacht fortgangen. Der Sarg were mit einem schönen großen schneeweißen Tuche, das sie ihr Lebtage nicht weißer gesehen, und über demselben auch mit einem schwarzen Tuche belegt gewesen. Die Träger und übrige zwei Nachfolger habe sie zwar im Gesicht nicht gesehen, als nur daß sie schöne Haare gehabt. Der aber so mit ihr geredet wäre eines schönen Angesichts, schöner brauner Haare und von mittelmäßigem Alter anzusehen gewesen, hätte auch keine ander Sprache oder Anrede geführet, als hier im Amt gewöhnlich, und wäre ihr alles so eigentlich für kommen, so daß sie nicht anders gemeint, es wäre eine rechte Leiche, nur daß keine Schüler (?) und keine Weibspersonen dabei gewesen. Sie hatte sich anfangs eben nicht gefürchtet, wäre aber alle verstört worden, wie aber der Mann von ihr gegangen, wäre ihr ein Zittern und Beben ankommen, daß sie sobald nach dem Dorfe gegangen, das Laub in ihr Haus geworfen, und das, was sie gesehen, dem Greben und übrigen Dorfs Einwohnern erzählt, und möchte niemand gedenken, daß dies etwa eine Einbildung oder wohl gar ein Gedichte. Sie hätte das wahrhaftig gesehen und gehört, denn Gott würde sie harte strafen, wenn sie das unwahr redete.
Der Ort, wo dies geschehen, ist des Greben von Eubach Anzeige nach, etwa ein Musketenschuß(2) von dem Dorf Eubach, so ungefähr zehen Man(3) stark und ein Filial bei Alten Morschen, davon es auf dem Wege nach Spangenberg eine Viertelstunde abgelegen. Der Grebe ist gestern dienstags mit noch einem alten Mann und dieser Frau, und zwar wieder um 2 Uhr nachmittags, an den Ort gegangen, es hat sich aber nichts gezeiget. Die Frau ist ihrer Aussage nach ungefähr achtzig fünf Jahre alt, ist aber noch bei gutem gesunden Verstande, auch noch bei ziemlichen Leibeskräften. Für neun Jahren ist ihr Mann gestorben, und hat keine Kinder. Sie ist eine fromme gottesfürchtige und glaubhafte Frau, die keinem Geplauder oder Märlein tragen zugetan, deshalben ihr nicht allein die ganze Gemeinde Eubach, sondern auch wir selbst und jedermann, der sie kennt, ein gutes Zeugnis gibt und geben muß.
J. v. Hüttrodt
Johann Daniel Fröhlich [Grebe zu Eubach]“